Von Frank Wald (Fotos: Dacia)
Effizienz, Robustheit und das beste Preis-Leistungsverhältnis der Klasse – mit diesem Erfolgs-Credo will und wird Dacia mit dem Bigster nun auch in Europas größtem Fahrzeugsegment der Kompakt-SUVs der Konkurrenz die Marktanteile streitig machen. Zu Preisen ab 23.990 Euro startet der Tiguan-Rivale der rumänischen Renault-Tochter im Mai und unterbietet damit den SUV-Bestseller aus Wolfsburg um rund 14.000 Euro. Das spürt und fühlt man hier und da – aber nicht so, dass es einen bleibenden Eindruck hinterlassen würde.

Als bislang größtes Modell in der Dacia-Flotte macht der Bigster seinem Namen alle Ehre. Das neue SUV-Flaggschiff strahlt von außen Robustheit und Schlichtheit gleichermaßen aus. Die kantige, bullige Formgebung erinnert an klassische Geländewagen, ohne jedoch klobig zu wirken. Die breite Front mit dem markanten LED-Tagfahrlicht und die leicht ausgestellten Kotflügel unterstreichen den Offroad-Charakter. Der Bigster orientiert sich klar am Erfolgsmodell Duster, wächst aber auf 4,57 Meter Länge und verspricht mit 2,70 Metern Radstand jede Menge Platz.
Das Interieur folgt dem funktionalen Ansatz der Marke: einfache Materialien, durchdachte Lösungen. Zwar schwelgt der Innenraum in Hartplastik, der aber von kontrastierenden, farbigen Akzenten aufgelockert wird. Die Sitze sind komfortabel, könnten jedoch eine längere Oberschenkelauflage vertragen. Hinten genießen Passagiere üppige Beinfreiheit, während der bis zu 667 Liter große Kofferraum ordentlich Platz bietet. Wer die Rücksitze umlegt, erweitert das Ladevolumen auf bis zu 1937 Liter (beide Werte für Mildhybrid 140). Eine clevere Option ist das „Sleep-Pack“, das den Bigster in einen Mini-Camper verwandelt.
Fahrer blicken auf ein digitales Cockpit (7 oder 10 Zoll), das sich überraschend intuitiv bedienen lässt. Der zentrale 10,1-Zoll-Touchscreen überzeugt mit einfacher Menüstruktur, während viele physische Tasten für schnelle Eingaben sorgen. Besonders praktisch: eine frei belegbare Taste, um nervige Assistenzsysteme auf Knopfdruck zu deaktivieren. Das „You-Clip“-System, mit dem sich diverses Zubehör wie Becherhalter oder Tablet-Halterungen flexibel anbringen lässt, zeigt in der Praxis jedoch Schwächen: Auf unruhigem Untergrund sorgen die Halterungen für nervige Knarzgeräusche.

Auch bei den Motoren hat sich die rumänische Renault-Tochter etwas verzettelt. Zwar sind nun alle elektrifiziert und für den 1,2-Liter-Dreizylinder-Benziner gibt es erstmals auch eine Mildhybrid-Version 140 mit 140 PS (103 kW), die auf Wunsch auch bivalent mit LPG Flüssiggas betrieben werden kann. Doch ausgerechnet das ebenfalls neue Vollhybrid-Modell mit 155 PS (115 kW) Systemleistung ist nur mit Frontantrieb zu haben. Die Allrad-Option ist allein dem schwächsten Mildhybrid mit 131 PS (96 kW) vorbehalten.
Für die erste Probefahrt stand denn auch eben jenes Topmodell Hybrid 155 mit neu entwickeltem Antriebssystem bereit – das den attraktiven Einstiegspreis zwar gleich mal um 4600 Euro nach oben lupft, doch dafür auch mit einer etwas besseren Ausstattung ab Werk vorfährt. Es integriert einen 1,8-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 109 PS (80 kW), eine E-Maschine mit 36 kW (49-PS), einen Starter-Generator, eine 1,4-kWh-Pufferbatterie sowie ein automatisches Elektrogetriebe mit vier Gängen für den Verbrenner und zwei für die E-Motoren. Klingt komplex – und fährt sich auch so. Die Übergänge zwischen Verbrennungs- und Elektromotor wirken nicht immer harmonisch, vor allem bei schnellen Lastwechseln kann es hin und wieder ruckeln. Dazu gesellen sich gelegentlich seltsame Geräusche aus dem Maschinenraum – als würde sich der Antriebsstrang nicht ganz einig sein, wer gerade die Arbeit übernehmen soll. Hat der Hybridantrieb jedoch einmal in den richtigen Rhythmus gefunden, läuft er angenehm leise und spart ordentlich Sprit.

Vor allem im Stadtverkehr glänzt der Bigster mit lautlosem Dahingleiten und niedrigen Verbrauchswerten. Das Anfahren erfolgt immer elektrisch, was dem SUV eine unerwartete Leichtfüßigkeit verleiht. Auch im Stop-and-Go-Betrieb arbeitet das System effizient und sparsam. Wer vorausschauend fährt, soll bis zu 80 Prozent der Zeit elektrisch unterwegs sein. Laut WLTP liegt der Verbrauch bei 4,7 Litern, im Test pendelte sich der Bordcomputer bei rund 6,5 Litern ein.
Das Fahrwerk setzt auf Komfort. Weiche Dämpfer sorgen für eine angenehme Fahrt, lassen den Wagen aber bei starkem Bremsen oder plötzlicher Beschleunigung leicht nicken. Die Lenkung arbeitet direkt und bietet eine solide Rückmeldung. Überraschend klein fällt der Wendekreis aus. Dacia betont zwar die aufwändigen Dämmungen und Isolierungen, auf der Autobahn trüben jedoch Windgeräusche ab etwa 100 km/h den ansonsten positiven Fahreindruck.

Mit vier Ausstattungslinien („Essential“, „Expression“, „Extreme“ und „Journey“) bietet Dacia für jeden Geschmack etwas. Schon die Basisversion ist mit LED-Licht, Touchscreen und Rückfahrkamera ordentlich bestückt. Wer mehr Komfort möchte, erhält ab „Expression“ eine Zweizonen-Klimaautomatik und eine elektrische Parkbremse In den Top-Versionen wird es sogar richtig luxuriös mit Panorama-Glasschiebedach und elektrischer Heckklappe.
Unterm Strich liefert Dacia mit dem Bigster einen echten Preis-Leistungs-Hit ab. Das Design ist modern und robust, der Innenraum großzügig und die Ausstattung für den Preis bemerkenswert. Der Hybrid-Antrieb ist sparsam, wenn auch nicht immer perfekt abgestimmt, und das Fahrwerk bietet einen hohen Komfort. Schwachstellen gibt es, vor allem bei der Materialanmutung im Innenraum und den Windgeräuschen auf der Autobahn. Doch diese Punkte verblassen angesichts des konkurrenzlos günstigen Preises. Wer ein großes, solides und preiswertes SUV sucht, das den teureren Platzhirschen Paroli bietet, sollte den Bigster auf die Liste setzen. (aum)
Daten Dacia Bigster Hybrid 155 Extreme
Länge x Breite x Höhe (m): 4,57 x 1,81 x 1,71
Radstand (m): 2,70
Antrieb: Vollhybrid, 4-Zyl.-Benziner, 109 PS, 1799 ccm + E-Motor: 36 kW, FWD, Automatik
Gesamtleistung: 115 kW (155 PS)
Max. Drehmoment: 172 Nm + 205 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 9,7 Sek.
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 4,7 Liter
CO2-Emissionen: 106 g/km
Leergewicht / Zuladung: min. 1494 kg / max. 446 kg
Kofferraumvolumen: 546–1851 Liter
Max. Anhängelast: 1000 kg
Basispreis: 28.590 Euro
Testwagenpreis: 30.590 Euro