Der „Stachel“ wird
zur Speerspitze mit
viel Leistung und
üppiger Ausstattung
Von Lothar Dönges
4 Meter 83 lang, 1 Meter 87 breit, 1 Meter 40 flach. Dunkelrot. 370 PS. 3,3-Liter-Sechszylinder Turbobenziner. In 4,9 Sekunden von null auf hundert. Bei 270 km/h endet der Vortrieb. Mit dem Stinger schlägt Kia ein neues Kapitel der Unternehmensgeschichte auf. Die in der Tradition der Gran Turismos entwickelte Sportlimousine ist das leistungsstärkste und emotionalste Modell, das der koreanische Hersteller bisher auf die Räder gestellt hat. Ab 20. Oktober kann die Sport-Limousine bestellt werden, Mitte Januar 2018 werden die ersten Modelle ausgeliefert.
Für den Antrieb der coupéhaften Limousine stehen drei Motoren zur Wahl. Der Zwei-Liter-Benziner mit 255 PS ist die ab 43 990 Euro erhältliche Einstiegsmotorisierung, der 3,3-Liter-Sechszylinder mit 370 PS das 54 900 Euro teure Spitzenmodell. Dazwischen liegen die beiden 2,2 Liter starken Diesel mit 200 PS und Preisen zu 44 990 beziehungsweise 46 990 Euro.
Achtstufen-Automatik immerSerie
Alle Motoren sind mit einem Achtstufen-Automatikgetriebe (mit Schaltwippen am Lenkrad) gekoppelt, dessen Charakteristik sich, wie weitere Fahrwerkabstimmungen, durch eine fünfstufige Fahrmodus-Wahl (Smart, Eco, Comfort, Sport, Sport+) variieren lässt. Das Top-Modell verfügt ab Werk über ein – allerdings heckbetontes – Allradsystem, das optional auch für den Diesel erhältlich ist.
Die Entwicklung des Gran Turismo (GT) geht zurück auf das Jahr 2011. Damals stellten die Koreaner auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt eine entsprechende Studie aus. Oft genug verschwinden derartige Zukunftsvisionen wieder in den Schubladen und Regalen der Autobauer.
Nicht so in diesem Fall bei Kia. Auf Basis der Studie wurde der Stinger (sting = englisch „Stachel“) als Flaggschiff des Kia-Modellportfolios entwickelt. Das Ergebnis: ein veritabler, viertüriger Gran Turismo mit reichlich Leistung und üppiger Ausstattung.
Aushängeschild und Imageträger der Marke
Der Stinger ist, so Kia-Geschäftsführer Steffen Cost bei der Fahrvorstellung mit Fachjournalisten, das Aushängeschild und der Imageträger der Marke. Dem Auto falle die Aufgabe zu, „eine Botschaft von hoher Qualität und technischer Kompetenz“ bei den möglichen Kunden zu platzieren. „Wir wollen zeigen, dass Kia im Vergleich zu etablierten europäischen Marken technisch nicht nur mithalten, sondern sie sogar übertreffen kann“, so Cost. Folgerichtig wurden bei der Präsentation des Stinger immer wieder Vergleiche mit dem Audi A5 Sportback, dem BMW 4er Gran Coupé oder auch dem Volkswagen Arteon gezogen und auch das Selbstbewusstsein, dass der Stinger diesbezüglich ein „Stachel“ sein kann, formuliert.
Auf jeden Fall bringt der Stinger viel Neues ins Kia-Portfolio. Ein derart leistungsfähiges Produkt war bisher ebenso wenig vorhanden wie ein Auto mit Heckantrieb. Gleichzeitig markiert der GT ein Ausstattungsniveau, das für alle Varianten zum Beispiel Lederpolster, Navigationssystem mit 8-Zoll-Bildschirm, Head-up-Display, beheizbares Lenkrad, Stabilitätskontrolle oder Spurhalte-Assistent mit korrigierendem Lenkeingriff vorsieht. Merkmale, die bei den Mitbewerbern größtenteils nur gegen Aufpreis erhältlich sind.
Optional hat Kia noch einiges mehr im Angebot: einen Kollisionswarner mit Notbremssystem und Fußgängererkennung, einen Geschwindigkeitsregler, einen Querverkehrassistent, Fernlichtassistent und einen Toter-Winkel-Assistent; außerdem lässt sich bei langsamem Tempo die Umgebung überwachen. Zum ersten Mal bietet Kia in dem Coupé einen Müdigkeitswarner an.
Mit den fünf Fahrmodi (bei „Smart“ passen Sensoren das Dämpfersystem automatisch dem individuellen Fahrstil an) verändern sich Gasannahme und Lenkung, die Eingriffsschwellen der Stabilitätssysteme sowie die Abgasanlage.
Ausgewogene und leicht zu beherrschender GT
Auf dem Rennkurs nahe Palma de Mallorca präsentierte sich die 370-PS-Top-Version des Stinger als ausgewogene und leicht zu beherrschende Fastback-Limousine mit ausgeprägten sportlichen Talenten. Und bei den Überland-Fahrten auf der Ferieninsel verband der Stinger – unabhängig von der Motorisierung – temperamentvolles Fahrgefühl mit exklusivem Reisekomfort.
Die vorderen Sportsitze weisen zahlreiche elektrische Verstellmöglichkeiten auf und entsprechen in Polsterungskomfort sowie Seitenhalt Premiumansprüchen. Im Fond sind die Sitzflächen nach hinten geneigt, so dass ausreichend Knie- und Kopffreiheit für die Passagiere gegeben ist. Über 400 Liter Kofferraumvolumen (bei Bedarf bis zu 1114 Liter) erlauben längere Ausflüge mit vier Personen.
Das Innenraum-Ambiente ist hochwertig. Und die All-Inklusiv-Liste des GT sucht ihresgleichen. Die Passagiere, vom Fahrer bis zum Mitreisenden, sollen sich wie in einem Kokon fühlen. Belüftete und auch hinten beheizbare Sitze, Rundumsichtkamera, Verkehrszeichenerkennung, Soundsystem, Smartphone-Anbindung und -Ladestation, sieben Airbags, elektrische Heckklappe, Aluminiumfelgen, Berganfahrhilfe und vieles mehr bietet der Stinger. Eigentlich sind nur noch das elektrische Glasdach und die Metallic-Lackierung (insgesamt gibt’s neun Außenlackierungen) zu je 690 Euro als Option bestellbar. Vor allem aber bietet der Gran Turismo Fahrspaß schier ohne Ende – in jeder Version.
Der Sprit-Verbrauch bewegt sich dabei nach Werksangaben kombiniert zwischen 5,6 und 10,6 Litern, die CO2-Emissionen zwischen 147 und 244 g/km. Wir waren mit dem 2,2-Liter-Allraddiesel und dem 3,3-Liter-Top-Modell unterwegs, benötigten bei bewusst nicht Sprit sparender Fahrweise 7,9 und 11,8 Liter Kraftstoff und lagen damit jeweils gut einen Liter über dem vom Werk angegebenen Optimal-Wert. Dass alle Stinger-Versionen in die Schadstoffklasse Euro 6 eingestuft sind, versteht sich von selbst.
Nach den Erwartungen von Kia werden sich 60 Prozent der Kunden für eine der beiden Diesel-Versionen entscheiden. 15 Prozent sollen auf das Top-Modell entfallen und 25 Prozent auf den Zwei-Liter-Benziner.
Offensive setzt sich in den kommenden Jahren fort
Die Sportwagen-Alltagslimousine sieht Produktmanager Matthias Troge als „Speerspitze für die Markenentwicklung in Deutschland und Europa“. Er und Geschäftsführer Cost gehen davon aus, dass die meisten Kunden von anderen Herstellern wechseln.
Überhaupt ist Kia auf der Überholspur unterwegs. Mit rund 65 000 Einheiten werden die Koreaner in diesem Jahr hierzulande ihre Verkaufszahlen aus dem Jahr 2010 nahezu verdoppeln. Mit dem Kleinstwagen Picanto, dem Kleinwagen Rio, dem Crossover Stonic und der Sport-Limousine Stinger wurden alleine in 2017 schon vier Neuwagen auf den Markt geschickt, der Crossover Niro und die Mittelklasse-Limousine Optima wurden jeweils um eine Plug-in-Version erweitert. In den kommenden drei Jahren sollen 22 zusätzliche neue Modelle für weiteren Aufschwung sorgen.
Fotos (5): Lothar Dönges
Fakten und Technik
Kia Stinger 3.3 T-GDI AWD
Maße: 4,83 m/1,87 m/1,40 m (Länge/Breite/Höhe)
Radstand: 2,91 m
Motor: V6-Turbobenziner, Direkteinspritzung, 3342 ccm
Leistung: 370 PS bei 6000 U/min
Max. Drehmoment: 510 Nm bei 1300-4500 U/min
Geschwindigkeit: 0-10 km/h 4,9 Sek., max. 270 km/h
Verbrauch: 10,6 l
Leergewicht/Zuladung: 1909-1971 kg/max. 416 kg
Gepäckraum: 406-1114 Liter
Basispreis: 54 900 Euro