Neuer Ford Focus ST ist ein echter Asphalt-Sportler

Von Lothar Jungmann

Ein Kraftpaket auf vier Rädern: der neue Ford Focus ST.

Im Grunde genommen hat Hans-Jörg Klein, seit knapp einem Jahr Geschäftsführer Marketing und Verkauf der Kölner Ford Werke GmbH, keinen Grund für schlechte Laune: „Jeder einzelne Monat in diesem Jahr hat uns einen neuen Rekord gebracht. Wir sind gegenüber dem Vorjahr um 8,5 Prozent im Plus, und alle Modelle laufen gut. Unser Marktanteil in Deutschland beträgt jetzt 7,8 Prozent.“ Dazu gehören auch Nischenprodukte wie der neue Ford Focus ST. Der landauf, landab als ernsthafte Konkurrenz für den niedersächsischen Volkswagen Golf GTI bezeichnete Rheinländer (er wurde in Köln konstruiert, wird in Saarlouis produziert) ist zwar ganzes ein Stück stärker und einen Hauch schneller von 0 auf 100 km/h. Beim Spitzentempo geben sich beide mit abgeriegelten 250 km/h keine Blöße. Doch unter dem Strich besteht wohl der Hauptunterschied darin, dass der eine ein Massen- (GTI) und der andere (ST) ein Nischenprodukt darstellt. 3000 Exemplare von ihm will Klein pro Jahr unter die Leute bringen, 40 Prozent davon als Limousine, 60 Prozent als Turnier, wie die Kölner ihre Kombis bezeichnen. In den Läden steht der Sport-Ford seit Juli.

Die Sportsitze bieten einen ausgezeichneten Seitenhalt.


Einsteigen und sich wohl fühlen gilt beim Focus ST auf Anhieb. Die Schalensitze sorgen bereits im Stand für perfekt-festen Halt und später auf kurvenreichen Landstraßen erst recht. Ford hatte diesmal für ausgiebige Probefahrten das Bergische Land im Osten der Domstadt vorgeschlagen, ein wegen seiner reizvollen Landstraßen besonders an Wochenenden häufig angefahrenes Ziel von Motorradfahrern. Doch auf dem dort vielfach vorhandenen Kurvengeschlängel, Höhepunkte für Reiter auf zwei Rädern, kam auch der Spaßfaktor für Enthusiasten am ST-Lenkrad nicht zu kurz – im Gegenteil. Das selbst von der Konkurrenz aus München oder Wolfsburg anerkannt hervorragende Ford-Fahrwerk hätte mit seinem elektronisch geregeltem Sperrdifferenzial die Strecken zwischen Meinerzhagen, Nümbrecht und Bergisch Gladbach weit souveräner unter die Räder nehmen können als es das Talent so manchen journalistischen Versuchskaninchens zuließ.
Die elektromechanische Servolenkung ist so direkt, dass sie fast (na ja, nicht ganz) Kart-Gefühle aufkommen lässt und auch ihrerseits zur Fahrfreude beiträgt. Zwischen den Anschlägen links und rechts sind lediglich zwei Lenkrad-Drehungen notwendig.
Zur Spaßoptimierung dient ein Schalter am Lenkrad mit dem sich eines von drei Fahrprogrammen von „Rutschig“ über „Normal“ bis „Sport“ auswählen lässt. Auf Wunsch gibt es außerdem als viertes noch die Einstellung „Rennstrecke“. Die jeweiligen Modi wirken sich auf die Elektronik, das Ansprech-Verhalten des Gaspedals, Servolenkung, den Schleuderverhinderer ESP, das Sperrdifferenzial und die Stoßdämpferregelung aus. Beim der schärfsten Einstellung für den Rundkurs agiert zum Beispiel ESP als „Manöver im letzten Augenblick“, wie etwa Segler beherztes Eingreifen in höchster Gefahr bezeichnen würden.


Neben dem Fahrwerk ist natürlich das Herz des Focus ST, der 2,3 Liter große Turbo-Benziner-Vierzylinder mit 280 PS (206 kW), für den außergewöhnlich hohen Spaßfaktor verantwortlich. Da dessen Drehmomentmaximum von 420 Newtonmetern zwischen 3000 und 4000 Umdrehungen konstant anliegt, ist sogar unsportliches, weil schaltfaules Fahren zur Entspannung möglich. Wenn es allerdings darauf ankommt, ist das Auto hellwach. Aus dem Stand beschleunigt, sind bereits nach 5,7 Sekunden 100 km/h erreicht. Zwischen 80 km/h und 120 km/h soll der ST laut Presseabteilung sogar den 70 PS (52 kW) stärkeren Focus RS nass machen.
Neben dem Benziner gibt es außerdem im Focus ST auf Wunsch eine Zwei-Liter-Turbodieselversion mit 190 PS (140 kW). Deren maximales Drehmoment von 400 Nm liegt bereits bei 2000 Umdrehungen an, 360 Nm schon bei 1500 Umdrehungen. Den Spurt von 0 auf 100 km/h soll der Diesel in 7,6 Sekunden absolvieren können. Beide Maschinen sind mit einem manuell schaltbaren Sechs-Gang-Getriebe mit kombiniert, ab Oktober soll auch eine Sieben-Gang-Automatik lieferbar sein.
Was sich vorne unter der Motorhaube abspielt, verrät nicht nur das kraftvolle Geräusch, das die beiden Auspuffrohre hinten verbreiten. Sie sind jetzt übrigens so platziert, dass in der Mitte auf Wunsch eine Anhängerkupplung Platz findet. Fahrerin oder Fahrer bleiben über Einzelheiten zu Lade- und Öldruck sowie über die Öltemperatur mittels digitaler Anzeigen auf dem Bildschirm des Bordcomputers im Armaturenbrett ständig auf dem Laufenden. Ein umfangreiches Angebot an nützlichen und optional erhältlichen Fahrer-Assistenzsystemen – vom Stau-Assistenten mit Stop-&- Go-Funktion bis zum Head-up-Display – steht darüber hinaus zur Verfügung.

Auch der Ford Focus ST Turnier macht eine starke Figur.


Selbstverständlich brauchen besonders sportliche Autos auch besonders zupackende Bremsen. Beim Focus ST verfügen die Scheiben vorne über einen Durchmesser von 330 Millimetern bei einem Querschnitt von 27 Millimetern. An der Hinterachse beträgt ihr Verhältnis 392 zu elf. Die Wahrscheinlichkeit von Bremsfading, also dass Nachlassen der Bremswirkung bei außergewöhnlich hoher Belastung, soll dadurch viermal geringer sein als beim Vorgänger, versichert Ford.
Bleibt die bange Frage, ob auch zukünftige ST-Modelle von Ford einen vergleichbar hohen Spaßfaktor liefern werden. Seit auf Anweisung aus der Ford-Konzernzentrale in Detroit bei Ford of Europe Schmalhans Küchenmeister geworden ist, stehen sechs Werke und 12.000 Arbeitsplätze auf der Abschussliste.

Fotos (2): Lothar Jungmann (2) Ford

Daten Ford Focus ST

Länge/Höhe/Breite (m): 4,39/1,83/1,46
Radstand (m): 2,70
Motor: R4, 2261 ccm, Turbo-Direkteinspritzung
Leistung: 206 kW / 280 PS bei 5500 U/min
Max. Drehmoment: 420 Nm bei 3000–4000 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h (abgeregelt)
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 5,7 Sek.
Normverbrauch: 7,9 l
CO-Emissionen: 179 g/km
Abgasnorm: Euro 6d-Temp
CO2-Effizienzklasse: E
Kofferraumvolumen: 375–1354 Liter
Bereifung: 235/40 R 18
Basispreis: 34 100 Euro